Plattform Wiederaufbau Ukraine

Themenkreis Städtischer und kommunaler Wiederaufbau Fachaustausch zu „Barrieren überwinden: Inklusiver Wiederaufbau in der Ukraine“

So viel sei vorweggenommen: Diese Veranstaltung wird viele Informationen und Eindrücke liefern. Das ist gut, denn das allein zeigt schon, wie wichtig das Thema ist und wie sehr es sich für eine Reihe weiterer Veranstaltungen anbietet.

Rampen müssen genormt sein, um zu helfen

Rampen müssen genormt sein, um zu helfen

Rampen müssen genormt sein, um zu helfen

Nach einer Einführung von Marta Pastukh (Plattform Wiederaufbau Ukraine) zeigt Yuriy Vasylchenko, Berater für Barrierefreiheit und Inklusion in der Architektur in der National Assembly of People with Disabilities (Externer Link) (NAIU) sowohl gute als auch schlechte Beispiele für einen barrierefreien Wiederaufbau in Städten und Kommunen.

Er zeigt Bilder von ebenerdigen Eingängen und Aufzügen, Hebe-Plattformen und Rampen. Küchen mit Aussparungen im unteren Bereich, Schwimmbäder mit Hebebühnen und klare farbliche Akzentuierungen innerhalb und außerhalb von Gebäuden. Alles wichtige Veränderungen für Menschen in Rollstühlen.

Starke Farbakzente helfen bei der Orientierung

Starke Farbakzente helfen bei der Orientierung

Starke Farbakzente helfen bei der Orientierung

Gleichzeitig können fehlende oder nicht beachtete Normen dazu führen, dass sie den jeweiligen Zielgruppen, Menschen mit Behinderung, nicht helfen. Zum Beispiel, wenn Rampen zu steil oder kurz gebaut sind. Oder wenn die falsche Verwendung taktiler Fliesen sehbehinderten Menschen nicht helfen, Straßen sicher zu überqueren oder sich in Räumen zurechtzufinden.

Dr. Monika Rosenbaum vom Netzwerk Büro Frauen und Mädchen mit Behinderung / chronischer Erkrankung NRW (Externer Link) schließt unmittelbar an Yuriy Vasylchenkos Vortrag an. Sie ist beeindruckt von all den mitgebrachten Beispielen und betont, dass wichtige Baunormen in der Ukraine existierten. An manchen Stellen aber würden sie nicht korrekt beachtet. Wichtige Aufgabe der deutschen Partner*innen könnte es demnach sein, den umsetzenden Parteien vor Ort den Rücken zu stärken und auf die existierenden Normen zu verweisen.

Die Herausforderungen für Menschen mit Behinderung klar benennen

Die Herausforderungen für Menschen mit Behinderung klar benennen

Die Herausforderungen für Menschen mit Behinderung klar benennen

Der Bedarf an barrierefreiem Wiederaufbau sei laut Rosenbaum hoch, denn die Zielgruppe wachse aufgrund des russischen Angriffskriegs seit Februar 2022 stetig. Sie betont an der Stelle auch, dass es neben physischen kriegsbedingten Beeinträchtigungen, um die es in der heutigen Veranstaltung vor allem geht, auch eine große Zahl von Menschen mit physischen Beeinträchtigungen gebe.

Mehrere Millionen Menschen, die Unterstützung benötigten: Denn es fehlten laut Monika Rosenbaum ausreichend barrierefreie Schutzräume, barrierefreie Warnsysteme oder auch die Sensibilität, dass Menschen mit Behinderungen durch den Krieg ihre vertraute Umgebung und ihr Unterstützungssystem verlören.

Und das nicht nur in der Ukraine selbst: Mangelnde Sensibilität oder zumindest ein Mangel an Bewusstsein hält Monika Rosenbaum auch für Aufnahmegesellschaften, beispielsweise in Deutschland, fest. So erhielten Geflüchtete in Deutschland oft Brot anstelle des gewohnten Kascha-Breis oder erführen eine paternalistische Haltung, wenn Mitarbeiter*innen in Betreuungseinrichtungen von „unseren Kindern“ sprächen, auch wenn diese bereits im fortgeschrittenen Erwachsenenalter seien.

Wie auch schon in vorherigen Veranstaltungen der Plattform Wiederaufbau Ukraine („Minderheiten und indigene Gruppen im Wiederaufbau der Ukraine“ (Externer Link) und „Jugendpartizipation in der Planung und Durchführung des Wiederaufbaus“ (Externer Link)) zeigt sich im heutigen Fachaustausch stark, dass der Wiederaufbau der Ukraine inklusiv gestaltet werden muss. Kurzum, dass alle Teile der Gesellschaft beim Wiederaufbau aktiv eingebunden werden. Monika Rosenbaum unterstreicht das: „Wir müssen aufpassen (…), dass wir nicht Strukturen unabsichtlich zementieren, die eigentlich aus der Ukraine bekämpft und abgebaut werden sollen (…) Das geht nur durch die Beteiligung von Menschen mit Behinderung und ihren Interessensorganisationen.“

Bevor es zu einem direkten Austausch zwischen den Teilnehmenden und den Referent*innen kommt, sprechen mit Mariya Yasenovska (European Disability Forum (Externer Link), EDF) und Daria Sydorenko (The League of the Strong (Externer Link)) aus der Ukraine auch noch eben jene Interessensorganisationen.

Yasenovska stellt das European Disability Forum und seine Arbeitsbereiche kurz vor. Diese teilen sich in drei Bestandteile:

  1. Humanitäre Hilfe für Menschen mit Behinderungen (zum Beispiel Evakuierung, Anpassung an neuen Orten, Integration)
  2. Interessensvertretung von Menschen mit Behinderung
  3. Unterstützung von Organisationen für Menschen mit Behinderung

Mit NAIU und The League of the Strong arbeite das EDF laut Yasenkovska bereits länger zusammen.

Marta Pastukh und Mariya Yasenosvka im Gespräch

Marta Pastukh und Mariya Yasenosvka im Gespräch

Marta Pastukh und Mariya Yasenosvka im Gespräch

Sie berichtet über die Warschauer Deklaration (The Warsaw declaration (Externer Link)). In diesem Dokument sind die Prinzipien zusammengefasst, die man mit Blick auf den barrierefreien Wiederaufbau des Landes einhalten sollte. Das wichtigste Prinzip sei, wie auch schon von ihrer Vorrednerin betont, die direkte Einbeziehung von Menschen mit Behinderung. Am Beispiel von Yuriy Vasylchenkos Vortrag erklärt sie, dass genau dadurch beispielsweise Fehler bei der Verwendung taktiler Fliesen vermieden werden könnten.

Wichtig sei es nun auch, auf bereits laufende Wiederaufbauprojekte zu schauen und die fehlende Berücksichtigung von Barrierefreiheit anzumerken. Nicht nur bei den Bauträger*innen selbst, sondern auch bei den Geldgeber*innen. Standards müssten laut Yasenovska eingehalten werden, auch, um Menschenrechte zu wahren.

Barrierefreiheit bedeutet vieles, nicht nur im Städtebau

Barrierefreiheit bedeutet vieles, nicht nur im Städtebau

Barrierefreiheit bedeutet vieles, nicht nur im Städtebau

Daria Sydorenko von The League of the Strong erinnert in ihrem Vortrag daran, dass es beim barrierefreien Wiederaufbau der Ukraine nicht nur um städtebauliche Themen geht, sondern auch um Fragen zu ökonomischen Rechten, De-Institutionalisierung, Rehabilitation oder auch den Zugang zu Informationen.

Sie betont die wichtige Rolle lokaler Behörden. Auf staatlicher Ebene würde zwar der allgemeine Wiederaufbauprozess geplant, die Umsetzung erfolge aber oft auf der lokalen Ebene. Genau diese Selbstverwaltungsorgane wüssten aber teilweise nicht, was Barrierefreiheit konkret bedeuten könnte. Sydorenko nennt die medizinische Ausstattung und die Beschaffung neuer Busse als zwei Beispiele. Und schließt mit drei Maßnahmen ihren Vortrag ab: Die lokale Gesetzgebung müsse angepasst werden und lokale Selbstverwaltungsorgane insgesamt während der Implementierung von Wiederaufbauplänen unterstützt werden. Dabei könnten auch Trainings von Mitarbeitenden dieser Behörden eine große Rolle spielen. Denn erst dann könnte objektiv betrachtet werden, wie und wie gut der barrierefreie Wiederaufbau in der Umsetzung sei.

Die gesamte Aufzeichnung der Veranstaltung finden Sie hier:

Barrieren überwinden: Inklusiver Wiederaufbau in der Ukraine (youtube.com) (Externer Link)