Plattform Wiederaufbau Ukraine

Themenkreis Städtischer und kommunaler Wiederaufbau Fachveranstaltung: Modulares Bauen im Wiederaufbau

„Modulares Bauen in der Ukraine bietet eine einzigartige Möglichkeit, die lokale Bevölkerung aktiv in den Wiederaufbau ihrer Gemeinden einzubinden. […] Dies stärkt nicht nur das Gemeinschaftsgefühl, sondern vermittelt auch ein starkes Gefühl der Selbstbestimmung. Es geht darum, nicht nur neue Häuser zu errichten, sondern auch das Vertrauen in die eigene Zukunft zurückzugewinnen.“

Mit diesen Worten verdeutlicht Marta Pastukh von der Plattform Wiederaufbau Ukraine die Relevanz des modularen Bauens im Kontext des ukrainischen Wiederaufbaus und leitet zur Fachveranstaltung ein, bei der verschiedene Aspekte zum Thema Bauen beleuchtet werden: Namir Poric (House of Good Tones (Externer Link)) gibt Einblicke in den modularen Häuserbau in Bosnien. Alfons Schwiderski (STUDIO | Hammer | Schwiderski (Externer Link)) stellt vor, wie ein Bauingenieurstudio aus Mainz modulare Bauprojekte in der Ukraine umsetzen möchte, um so zum Wiederaufbau beizutragen. Alex Tebbe (Crowd Ukraine (Externer Link)) spricht über die Finanzierung modularer Bauten in der Ukraine durch „Crowd Investment“.

Der Bau von modularen Holzhäusern in Bosnien durch das Projekt ‚House of Good Tones‘

Der Bau von modularen Holzhäusern in Bosnien durch das Projekt ‚House of Good Tones

Der Bau von modularen Holzhäusern in Bosnien durch das Projekt ‚House of Good Tones‘

Namir Poric floh 1993 aufgrund des Bürgerkriegs aus seiner Heimat Bosnien und kehrte zehn Jahre später als Projektmanager für Infrastruktur und Wiederaufbau der Caritas Schweiz dorthin zurück. Ab 2003 leitete er ein Pionier-Projekt in Srebrenica zum Wiederaufbau von Holzhäusern für Rückkehrer.

„Das ist eine spezielle Art modularen Bauens, […] eigentlich beschäftigen wir uns im Holzbau.“ Ein Holzhaus von 55 Quadratmetern Wohnfläche wird von neun Leuten in circa neun Tagen errichtet, erklärt Poric. „Damals [nutzten wir] deutsche Produkte als Baumittel. Heute schauen wir, dass wir lokale Produkte besorgen, damit wir auch [die] lokale Wirtschaft unterstützen können.“ Finanziert wird das Projekt von der Hilti-Stiftung aus Liechtenstein. Ein Holzhaus kostet circa 30.000 Euro. Das Unternehmen Hilti stellt seine Mitarbeitenden zudem jährlich für fünf Tage für den Aufbau der Holzhäuser in Bosnien frei. So erlangen die Mitarbeitenden bereichernde neue Einblicke und Erfahrungen. Das Projekt richtet sich vor allem an die zweite Generation der Rückkehrer aus dem bosnischen Bürgerkrieg.

Alfons Schwiderski, zeigt sich beeindruckt von den effizienten Bauleistungen von Porics Team. „Ein Haus in neun Tagen, mit neun Leuten, da werde ich auf jeden Fall blass.“ Schwiderski ist gelernter Bauingenieur und führt zusammen mit dem Architekten Andreas Hammer ein Planungsbüro in Mainz. Gemeinsam möchten sie mit innovativen Baumethoden den Wiederaufbau in der Ukraine unterstützen. Modulares Bauen ist „wie wir uns das Bauen in Zukunft vorstellen“, erklärt Schwiderski. „Einfach“, „nachhaltig“ und „effizient“ sind die Schlagworte, die er nennt. Im Bestreben diese Vorstellungen umzusetzen, hat das Planungsbüro zwei Methoden entwickelt, die in der Ukraine Anwendung finden sollen. Beide sind „Cradle-to-Cradle“-Module, also Bauteile die nicht verklebt, sondern nur zusammengesteckt werden müssen. Zudem sind sie dezentral in der Herstellung und können vor Ort und mit einfachen Mitteln hergestellt werden.

Alfons Schwiderski erklärt den Bono.Block, ein Holzmodul, welches sein Planungsbüro entworfen hat.

Alfons Schwiderski erklärt den Bono.Block, ein Holzmodul, welches sein Planungsbüro entworfen hat.

Alfons Schwiderski erklärt den Bono.Block, ein Holzmodul, welches sein Planungsbüro entworfen hat.

Das erste Modul ist der „Bono.Block“ aus Holz. „Unser Credo war: Wenn dieses Modul zu kompliziert ist, um es in einer Schreiner-Hobby-Werkstatt zu bauen, dann ist es zu kompliziert.“ Damit soll eine einfache Herstellung auch in Kriegsgebieten und ohne große Maschinen ermöglicht werden. Außerdem ist der Aufbau verhältnismäßig simpel.

„Es ist also nicht anfällig für Baufehler und unter Fachanleitung kann man viele Leute einsetzen, um solche Häuser zu bauen.“ Bis zu dreigeschossige Bauten seien mit diesem Modul möglich, erklärt Schwiderski. Als Isolationsmaterial kann Stroh und sogar Bauschutt in die Hohlräume der Holzblöcke gefüllt werden, um möglichst nachhaltig zu arbeiten. Im Moment baut das Planungsbüro ein Prototyphaus in Dortmund und eine aus dem Modul gefertigte Produktionsanlage in Rheinland-Pfalz.

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Dass die modulare Holzbauweise im Wiederaufbau der Ukraine gut funktionieren kann, zeigt das Projekt „Unbroken“ aus Lwiw, welches in einer Veranstaltung im Juli von Anton Kolomieitsev, Chefarchitekt von Lwiw, vorgestellt wurde.

Neben dem Bono.Block hat das Büro ein zweites Modul designt, vor allem für Länder „wo Holz Mangelware ist und wo stattdessen Bauschutt […] in Hülle und Fülle vorhanden ist.“ Dieses Modul haben sie „RE.CK“ genannt, eine Abkürzung für „recycle block“. „Und dieser Stein […] ist tatsächlich zu 98 Prozent aus recyceltem Bauschutt hergestellt.“ Die restlichen zwei Prozent sind für das Bindemittel vorgesehen, wobei hier klassisch Zement genutzt wird. „Wir sind aber im Moment gerade dabei, andere Bindemittel auszuprobieren, Asche zum Beispiel.

Das wäre dann etwas, wo wir zu 100 Prozent auf Zement […] oder auf Mörtel verzichten könnten.“ Diese „Trockenbauweise“ biete viele Vorteile, so Schwiderski. „Es wäre eine Möglichkeit, mit dem Bauschutt ein echtes Recycling zu machen.“ Außerdem könne man die Blöcke mit relativ kleinen und gut verfügbaren Maschinen herstellen. „Dann kann ich die Steine vor Ort von jedem kleinen Betrieb […] herstellen lassen […]. Ich muss keine neuen Fabriken bauen, ich muss auch keine weiten Wege für meinen Steintransport einkalkulieren.“ Die Ansätze sind erprobt, doch es sei „auf jeden Fall notwendig, […] Kapazitäten aufzubauen“, um die Projekte „skalierbar, also auch tatsächlich im großen Stil“ umzusetzen.

Wie der Aufbau von Kapazitäten und modularen Bauten finanziert werden kann, veranschaulicht Alexander Tebbe. Er baute 2010 eine Investmentfirma in Hamburg mit auf und ist mittlerweile eigenständig aktiv, mit einem besonderen Fokus auf den Wiederaufbau in der Ukraine. Nachdem Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck Kyjiw besucht und explizit für Investments in die Ukraine geworben hatte, habe sich Tebbe gefragt: „Wie kann ich denn eigentlich [in die Ukraine] investieren? Ich habe mir mal angeschaut, wie ich das als deutsche Privatperson machen könnte. Und die Antwort ist: aktuell gar nicht. Es gibt mit aktuellen Stand nicht ein einziges BaFin-reguliertes Finanzmarktprodukt, wo ich in die Ukraine investieren könnte.“

Laut Eckpunktepapier (Externer Link) der Bundesregierung zur Mobilisierung des Privatsektors für den Wiederaufbau in der Ukraine, sind „innovative Finanzierungsinstrumente wie Crowd Funding“ als Möglichkeiten der Investition in die Ukraine explizit gewünscht. Die Idee von Alexander Tebbe: möglichst viele Leute dafür gewinnen, jeweils 500 Euro in die Ukraine zu investieren. „Wenn wir die ganze Nachbarschaft, die Stadt und auch alle Menschen in Deutschland einladen, dann […] könnten wir eine ganze Menge machen.“

Den Häuserbau sieht er dabei als einen der drängendsten Bereiche. „Und jetzt schlagen wir die Brücke zu unserem Thema [von] heute. […] Die Frage ist: Wenn wir etwas machen, wie würden wir es tun? Und wir würden es eben ganz klar in modularer Holzbauweise tun.“ Das angestrebte Projekt nennt sich „Eco Cube“, Gemeinschaftshäuser zusammengesetzt aus vielen kleinen Wohnungen für junge Alleinstehende, mit großen Gemeinschaftsflächen. Diese sollen klimaneutral gebaut werden können und kompakten, aber bezahlbaren Wohnraum bieten. Für das Projekt konnte Tebbe eine Investitionsgarantie vom Bundeswirtschaftsministerium sichern.

Alexander Tebbe erklärt den Aufbau des paneuropäischen Crowd-Investment-Ansatzes.

Alexander Tebbe erklärt den Aufbau des paneuropäischen Crowd-Investment-Ansatzes.

Alexander Tebbe erklärt den Aufbau des paneuropäischen Crowd-Investment-Ansatzes.

Aus einer Idee für Privat-Investitionen aus Deutschland sei mittlerweile ein europaweiter Anspruch gewachsen, erklärt Tebbe. „Wir sind gerade dabei, ein paneuropäisches Investment-Setup zu stricken.“ Das Ziel: Zehn EU-Länder finanzieren zehn modulare Häuser im Westen der Ukraine.

Am Ende soll ein Finanzvolumen von 50 Millionen Euro durch private Investoren gesammelt werden, welches durch EU-Kreditfazilitäten refinanziert werden soll. Zusagen für 200.000 Euro habe er aus Deutschland bereits eingesammelt und auch die ersten potenziellen Baugrundstücke in Mikolajiw angeschaut. Wenn das Projekt erfolgreich voranschreitet, sollen auch Investitionen in den Osten der Ukraine möglich sein. Auch Odessa habe Tebbe schon besucht. „Und da war der Wunsch […] von Seiten Odessa, nicht hinten rüberzufallen. Und die Bundesregierung kann sich auch vorstellen, in Richtung Odessa abzusichern.“


Video Aufzeichnung der Veranstaltung am 12. September

Modulares Bauen kann schnell, umweltfreundlich und sozial sein.
Fachveranstaltung: Modulares Bauen im Wiederaufbau