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Wiederaufbau der Ukraine kostet 524 Milliarden US-Dollar Spotlight on: Das vierte Ukraine Rapid Damage and Needs Assessment (RDNA4)

Wie groß sind die direkten physischen Schäden an Infrastruktur und Gebäuden, die der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine bislang verursacht hat? Und wie viel wird ihre Wiederherstellung und ihr Wiederaufbau zum jetzigen Stand voraussichtlich kosten? Die Antworten darauf geben Urška Zrinski und Zuzana Stanton-Geddes (beide Weltbank), Co-Autorinnen des heute im Mittelpunkt stehenden vierten Ukraine Rapid Damage and Needs Assessment (RDNA4).

Weitere Informationen

Die Aufzeichnung der Veranstaltung vom 13. März 2025 finden Sie hier: Presentation of the fourth Rapid Damage and Needs Assessment (RDNA4) (Externer Link).

Die Präsentationen der Referentinnen finden Sie hier: Ukraine RDNA4 | Key Findings

Das Dokument zum vierten Rapid Damage and Needs Assessment (RDNA4) finden Sie hier: Updated Ukraine Recovery and Reconstruction Needs Assessment Released (Externer Link)

Das Rapid Damage and Needs Assessment (RDNA) gibt einen Überblick über die aktuelle Bewertung der Kriegsschäden und der Bedarfe für den Wiederaufbau in der Ukraine. Es handelt sich um ein Gemeinschaftsprojekt der Weltbank, der ukrainischen Regierung, der EU-Kommission und der Vereinten Nationen. Im Februar 2025 wurde die mittlerweile vierte Bewertung veröffentlicht.

Bei aller Unsicherheit, die über die zukünftigen Entwicklungen in der Ukraine derzeit herrschen, zeichnet das RDNA4 ein klares Bild der menschlichen, sozialen und wirtschaftlichen Schäden, die der vollumfängliche russische Angriffskrieg auf die Ukraine bisher verursacht hat. 4,6 Millionen Menschen waren von Kriegsbeginn bis Ende 2024 innerhalb der Ukraine vertrieben, 6,2 Millionen flüchteten ins Ausland. Über 12.000 Zivilist*innen wurden getötet. Armut breitet sich im Land aus und betrifft inzwischen 35,5 Prozent der Bevölkerung.

Zuzana Stanton-Geddes, Senior-Expertin für Katastrophenrisikomanagement bei der Weltbank, berichtet, dass sich die direkten Kriegsschäden in der Ukraine Ende 2024 auf 176 Milliarden US-Dollar beliefen. Besonders betroffen seien dabei Gebäude (33 Prozent der Schäden), das Transportwesen (21 Prozent) sowie der Energie- und Rohstoffsektor (12 Prozent). Gegenüber dem vorherigen RDNA3, das alle Schäden bis Ende 2023 berücksichtigte, ist dies ein Schadenszuwachs von 24 Milliarden US-Dollar (etwa 15 Prozent).

Höhere Schäden wurden gegenüber dem RDNA3 insbesondere in den Sektoren Energie, Bildung und Wissenschaft, soziale Sicherung sowie Justiz und öffentliche Verwaltung verzeichnet.

„Diese Steigerungen spiegeln in erster Linie die Beschädigung und Zerstörung durch russische Angriffe, insbesondere auf kritische Infrastruktur wider“, erklärt Stanton-Geddes. Sie seien aber auch auf eine verbesserte Datenbasis, auf Anpassungen der sektoralen Klassifizierungen und Änderungen der Wechselkurse zurückzuführen.

Besonders betroffen von der Zerstörung durch russische Angriffe seien 2024 die Oblaste Donezk, Charkiw, Saporischschja, Luhansk und Cherson gewesen.

Steigende Kosten für den Wiederaufbau

Die für den Wiederaufbau notwendigen Kosten beziffert das Autor*innenteam des RDNA4 inzwischen auf 524 Milliarden US-Dollar für die kommenden zehn Jahre – eine Steigerung um 8 Prozent gegenüber den Schätzungen Ende 2023. Der Wiederaufbaubedarf verteilt sich aufgrund anhaltender Angriffe Russlands analog zu den Zerstörungen so:

Wiederaufbaubedarf in Milliarden US-Dollar: Gebäude 84, Transport 78, Energie- und Rohstoffsektor 68, Handel und Industrie 64, Landwirtschaft 55

Wiederaufbaubedarf in Milliarden US-Dollar: Gebäude 84, Transport 78, Energie- und Rohstoffsektor 68, Handel und Industrie 64, Landwirtschaft 55

Wiederaufbaubedarf in Milliarden US-Dollar: Gebäude 84, Transport 78, Energie- und Rohstoffsektor 68, Handel und Industrie 64, Landwirtschaft 55 

Die Kosten für den Wiederaufbau beinhalten sowohl öffentliche als auch private Finanzierungen. Etwa 13 Milliarden US-Dollar investierten die ukrainische Regierung und ihre internationalen Partner*innen im Jahr 2024, um erste Schäden zu beseitigen.

Building back better

Zuzana Stanton-Geddes betont, dass beim Wiederaufbau der Ansatz „Building back better“ verfolgt werde. Das bedeute etwa, dass Gebäudesanierungen möglichst nach modernen energetischen Standards durchgeführt werden sollten. Auch solle die Infrastruktur für die Zukunft resilienter wiederaufgebaut werden. Dies sei eine enorme Anstrengung, denn etwa 13 Prozent aller Gebäude in der Ukraine seien entweder beschädigt oder zerstört, rund 2,5 Millionen Haushalte betroffen.

Doch das Ziel eines nachhaltigen Wiederaufbaus sei auch im Hinblick auf einen möglichen EU-Beitritt für die ukrainische Regierung hochrelevant. Gleichzeitig müssten aber auch hier die Kosten im Blick behalten werden.

Prioritäten des Wiederaufbaus für 2025

Ein zentraler Teil des RDNA4 befasst sich mit den Prioritäten des Wiederaufbaus für 2025. Bei der Priorisierung von Projekten müsse immer abgewogen werden, wo der Bedarf eines schnellen Wiederaufbaus besonders nötig sei und wo eventuell bis zum Ende der Invasion gewartet werden sollte, um eine erneute Zerstörung zu verhindern. Auf dieses Dilemma weist die Senior-Expertin für den öffentlichen Sektor bei der Weltbank, Urška Zrinski, hin. Aktuell gehörten zu den Prioritäten etwa funktionsfähige Schutzräume und Schulen.

Ukraine pilotierte neues System für das Management öffentlicher Investitionen

Im Jahr 2024 pilotierte die ukrainische Regierung ein transparentes und evidenzbasiertes Managementsystem, mit dem sie 787 mehrjährige Wiederaufbau-Projekte (Externer Link) identifizierte, priorisierte und auswählte. Damit können diese Projekte über das staatliche Budget der Ukraine oder externe Gelder finanziert werden.

Urška Zrinski wertet die Einführung des PIM-Systems (Public Investment Management, PIM) als großen Erfolg: „Es ist beeindruckend, was die ukrainische Regierung hier geleistet hat, insbesondere unter den derzeitigen schwierigen Bedingungen. Besonders anzuerkennen ist der gesamtstaatliche Ansatz des Systems.“

Gab es zuvor zwölf verschiedene Wege, um Wiederaufbau-Projekte in neun prioritären Bereichen wie Wasser, Abfallmanagement, öffentliche Verwaltung, soziale Sicherung, Energie und Transport für eine staatliche oder externe Finanzierung auszuwählen, ist der gesamte Prozess nun auf ein „Single-Project-Pipeline“-Verfahren verschlankt worden.

Die Pilotphase umfasste nur die nationale Ebene, eine Ausweitung auf die subnationale Ebene soll in diesem Jahr folgen. Somit könnte 2026 dort mit der Implementierung begonnen werden. Zudem soll in einem nächsten Schritt erörtert werden, wie die Privatwirtschaft in das PIM-System integriert werden kann.

Finanzierung

Der Bedarf an Mitteln für den Wiederaufbau für das Jahr 2025 wird im RDNA3 mit 17,32 Milliarden US-Dollar beziffert. Davon entfallen 11,88 Milliarden US-Dollar auf Investitionsprojekte und 5,44 Milliarden US-Dollar auf nicht-investive Programme. Dazu zählen etwa soziale Transferleistungen, Entminung und Kompensationsleistungen für zerstörte Gebäude.

Die Finanzierung sei laut Zrinski bislang nur für 7,37 Milliarden gesichert, es bestehe also eine Finanzierungslücke von derzeit 9,95 Milliarden US-Dollar.

Das RDNA4 als Entscheidungsgrundlage

Das RDNA4 ist für die ukrainische Regierung und deren internationale Partner*innen von zentraler Bedeutung, um ein möglichst umfassendes Bild der Schäden und Wiederaufbau-Bedarfe zu erhalten. Dies ist notwendig, um die Prioritäten für den Wiederraufbau und Finanzierungsmechanismen festzulegen, unter anderem bei der nächsten internationalen Wiederaufbau-Konferenz in Rom im Juli 2025 (Ukraine recovery Conference 2025 | Rome | 10-11 July (Externer Link)).